Hier kommt die Maus!

Erfunden wurde die Computermaus in den frühen 60er-Jahren. Ihren Siegeszug trat sie aber erst zwei Jahrzehnte später an. Damit hatte ihr Erfinder Douglas C. Engelbart nicht mehr viel zu tun. Ein gewisser Steve Jobs hingegen schon.

Animation of Steve Jobs holding a computer mouse in his hand

New York, 1961: Douglas C. Engelbart, 46, sitzt in einer Konferenz über Computergrafik. Es ist ein Thema für Visionäre. Denn damalige Rechner sind noch nicht in der Lage, Formen und Farben darzustellen, ihr Können beschränkt sich auf Buchstaben und Zahlen. Das dürfte sich ändern, ist der Ingenieur Engelbart überzeugt. Er nimmt sein Notizbuch aus der Brusttasche und zeichnet los. Engelbart weiss: Je stärker grafische Darstellungen und die digitale Welt zusammenwachsen, desto wichtiger wird ein Gerät werden, um diese Verbindung zu steuern. Engelbart skizziert es, noch bevor die Konferenz zu Ende ist: die Maus.

Mit seinem Geistesblitz legte der Vater der Maus den Grundstein für eine einfachere und damit auch demokratischere Computernutzung. Die Kommunikation mit Computern erfolgte zu dieser Zeit noch entweder über Lochkarten oder lange und komplizierte Tastaturbefehle. Damit hatte der erlauchte Kreis derjenigen, die überhaupt einen Computer bedienen durften, grundsätzlich auch keine Probleme. Als Werkzeug für jedermann taugte der Computer in dieser Form jedoch nicht. Die Maus wird das ändern.

Ein Holzkistchen und zwei Rädchen

1964 ist der Prototyp der Computermaus fertig: ein Holzkistchen, zwei Zigarettenschachteln gross, ein roter Knopf auf der Oberseite. Im Innern verstecken sich zwei verzahnte Rädchen – eines in x-achsiger, eines in y-achsiger Ausrichtung – sowie ein Kabel zur Verbindung mit dem Computer.

Ich dachte eigentlich, dass sich irgendwann ein etwas würdevollerer Name für das Gerät durchsetzen wird

Bereits damals etabliert sich unter den beteiligen Entwicklern am Stanford Research Institute (SRI) der Ausdruck «Maus». Engelbart erinnert sich später an diese Zeit zurück: «Ich dachte eigentlich, dass sich irgendwann ein etwas würdevollerer Name für das Gerät durchsetzen wird.» Weit gefehlt, die Maus bleibt die Maus.

Xerox verkennt das Potenzial

1968 stellt Engelbart seine Erfindung der Öffentlichkeit vor. Seine Präsentation geht als «Mother of all Demos» in die Geschichtsbücher ein. Zwei Jahre später wird die Maus patentiert. Weil grafische Benutzeroberflächen sich aber noch nicht durchgesetzt haben, tritt die Computermaus ihren Siegeszug nicht unmittelbar an.

Weiterentwickelt wird sie von einem von Engelbarts Forschungskollegen, William English, der in den 70er-Jahren vom SRI zum Palo Alto Research Center der Computerfirma Xerox wechselt. Er kombiniert die Ideen Engelbarts mit einer Entwicklung aus Deutschland: der Telefunken-Rollkugelsteuerung.

Die Rollkugelmaus wird 1973 erstmals beim Xerox Alto eingesetzt. Er gilt als erster Computer mit grafischer Benutzeroberfläche und Maussteuerung. Der Alto war allerdings nicht für den kommerziellen Markt gedacht und stand nie zum Verkauf. Entwickler aus jener Zeit bemängeln rückblickend, die Xerox-Firmenleitung in New York hätte schlicht und einfach das Potenzial der Technologie verkannt.

Kommerziell eingesetzt wird die Maus erst 1981 beim Modell Xerox Star. Um wirtschaftlich erfolgreich zu sein, ist das System aber schlicht zu teuer: Die Maus alleine kostet 400 Dollar, die Schnittstelle beim Computer weitere 300 Dollar. Der Xerox Star floppt.

Illustration of computer mouse 1 by Adela Li

Steve Jobs, übernehmen Sie!

Illustration of computer mouse 2 by Adela Li

Es braucht einen Visionär wie Apple-Gründer Steve Jobs, um die Maus vom Entwicklungslabor auf fast jeden Schreibtisch der Welt zu bringen. Xerox lädt den damals durch den Apple II bekannt gewordenen Jobs ins Palo Alto Research Center ein und zeigt ihm neben verschiedenen anderen technischen Neuerungen die grafische Benutzeroberfläche und die Maus. Das bleibt hängen. «Innerhalb von 10 Minuten war für mich offensichtlich, dass alle Computer dereinst so funktionieren würden», sagt Jobs Jahre später.

Mit dem Verkauf von Apple-Aktien sichert sich Steve Jobs das Recht auf technische Demonstrationen der Xerox-Neuerungen. Anders als Xerox erkennt das Apple-Team die Bedeutung von Maus und grafischem Interface. Schliesslich lizensiert Apple die Technik.

Das Design der ersten Apple-Maus stammt von Dean Hovey. Er erinnert sich, dass Steve Jobs ihm folgende Vorgaben machte: Das Gerät solle für weniger als 15 Dollar produziert werden können, dürfe zwei Jahre lang nicht kaputt gehen und müsse auf den meisten Schreibtischoberflächen funktionieren – und auf dem mit einer Jeans bekleideten Oberschenkel von Steve Jobs.

Durchmarsch mit dem Macintosh

1983 ist es soweit. Lisa kommt auf den Markt. Sie ist das erste Apple-Modell mit Maus. Doch der Rechner ist mit rund 10'000 Dollar sehr teuer. Erst das Nachfolgemodell wird ein Erfolg: der Macintosh, der ab 1984 produziert wird und weniger als 2’500 Dollar kostet. Von dessen erster Serie wurden in nur wenigen Monaten 70'000 Stück verkauft. Mit einer Weiterentwicklung der Lisa-Maus ausgestattet, gilt er als der erste Mikrocomputer mit grafischer Benutzeroberfläche. Mit ihm hält die Maus – und damit auch der Personal Computer – Einzug in Büros und Arbeitszimmer weltweit.

Erfunden haben die Maus also andere. Aber Steve Jobs erkannte, wie einfach und effizient die Bedienung damit ist. «Zeigen» nämlich sei eine universelle Metapher. In einem Interview aus dem Jahr 1985 erläuterte er das mit einem Beispiel: «Wenn ich Ihnen sagen will, dass Sie einen Fleck auf Ihrem Hemd haben, erkläre ich das nicht mit Worten: ‘14 Zentimeter unterhalb des Kragens und drei Zentimeter links des Knopfes befindet sich ein Fleck auf Ihrem Hemd.’ Wenn Sie einen Fleck haben – ‘Da!’ – zeige ich drauf.»

Illustration of computer mouse 3 by Adela Li

Timeline

  • 1961: Douglas C. Engelbart erstellt die erste Skizze für die Maus.
  • 1963/64: Im Stanford Research Center wird der Prototyp entwickelt.
  • 1968: Engelbart stellt seine Maus der Öffentlichkeit vor.
  • 1970: Die Maus wird patentiert.
  • 1973: Der Xerox Alto verfügt als erster (allerdings noch nicht-kommerzieller) Rechner über eine Rollkugelmaus.
  • 1979: Steve Jobs sieht Maus und grafische Benutzeroberfläche bei einem Besuch bei Xerox.
  • 1981: Der Business Computer Xerox Star kommt auf den Markt – mit einer extrem teuren Maus.
  • 1983: Apples Lisa ist der erste Computer, der fast ausschliesslich mit der Maus gesteuert wird.
  • 1984: Der Durchbruch gelingt der Maus und der grafischen Benutzeroberfläche mit dem Macintosh.

Text:

Bettina Bhend Portrait

Interessiert haben mich Naturwissenschaften und Technik eigentlich schon immer. Aber weil ich so schlecht rechnen kann, bin ich Historikerin und Journalistin geworden. Mich fasziniert alles, was mit Unterwegssein zu tun hat: neue Mobilitätskonzepte, die Logistik der Zukunft, gesellschaftliche Beschleunigungsprozesse oder ortsunabhängiges Arbeiten. Und lange Zugreisen mit vielen Büchern.

Illustration: Adela Li