KURZMELDUNG

Das Dilemma mit selbstfahrenden Autos

Wer soll in einer ausweglosen Situation überfahren werden, eine ältere Person oder ein Kleinkind? Solche ethischen Dilemma stehen im Fokus, wenn es um selbstfahrende Autos geht. Dabei gibt es noch viel dringendere Fragen.

Traffic sign with the inscription "Test Field Autonomous Driving".

Wenn Technik und Software das Lenkrad übernehmen, könnte der Strassenverkehr sicherer und ressourcenschonender werden. Oder das Verkehrsaufkommen sogar noch steigen. Die Automatisierung der Mobilität schreitet voran und bringt Fragen mit sich, über die der öffentliche Diskurs noch aussteht.

Eine Grundlage für die öffentliche und politische Diskussion über die zunehmende Automatisierung von Fahrzeugen und ihre künftige Rolle in der Schweiz lieferte die Stiftung für Technologiefolgen-Abschätzungen TA-Swiss mit einem Bericht. Darin stellten die Fachleute verschiedene mögliche Entwicklungen in der Schweiz in mehreren Szenarien dar.

Mehr Komfort, mehr Verkehr

Wie schon frühere Studien in der Schweiz und in anderen Ländern festgestellt haben, würde eine hauptsächlich marktgetriebene Entwicklung vermutlich zu mehr Verkehr führen, heisst es im Bericht. Denn dann läge der Fokus auf individueller Nutzung der Fahrzeuge: Immer mehr Personen würden sich ein selbstfahrendes Auto anschaffen, das auch leer auf den Strassen unterwegs sein könnte.

Auch wer keinen Führerschein besitzt, beispielsweise Kinder oder ältere Personen, die nicht mehr selbst fahrtüchtig sind, könnten sich damit fortbewegen. Was für den Einzelnen vorteilhaft wäre, könnte das Verkehrsaufkommen in der Schweiz deutlich wachsen lassen.

Anders könnte es laufen, wenn der Staat stärker lenkend eingreift, um die kollektive Nutzung selbstfahrender Autos zu fördern in Form eines «öffentlichen Individualverkehrs». Als Ersatz für Busse und Taxis könnten selbstfahrende Fahrzeuge auf Abruf bereitstehen, mehr oder weniger losgelöst von festen Fahrplänen. Ein eigenes Auto wäre dann unnötig und die Fahrzeuge besser ausgelastet. Dadurch liesse sich das Verkehrsaufkommen in Städten reduzieren und es bräuchte weniger Parkplätze.

Legt man den Schwerpunkt auf Umweltfreundlichkeit, wäre dies wohl die geeignetere Variante. Sie bedeutet aber eine gewisse Einschränkung der individuellen Mobilität.

Umwelt und Sicherheit versus Freiheit

Genau hierbei stellen sich einige ethische Fragen, wie Tobias Arnold von der Beratungsfirma Interface sagt, die ebenfalls am Bericht beteiligt war. Wie stark darf der Staat in die individuelle Mobilität und Entscheidungsfreiheit eingreifen, um höhere Sicherheit und eine bessere Umweltbilanz in den Vordergrund zu stellen?

Wären alle Fahrzeuge selbstfahrend, gäbe es keine Unfälle mehr. Zumindest keine durch menschliche Fehler. Aber soll der Staat dem Einzelnen vorschreiben dürfen, ein automatisiertes Fahrzeug zu nutzen, weil dieses sicherer ist als ein nicht-automatisiertes? Und sollte der Staat auch Velofahrerinnen und Fussgänger zwingen dürfen, sich in eine für die Automatisierung notwendige Vernetzung des Verkehrssystems einzufügen?

Damit sich selbstfahrende Autos insbesondere in Städten sicher fortbewegen können, müssten sie nämlich nicht nur untereinander, sondern auch mit anderen Verkehrsteilnehmenden wie Fussgängerinnen und Velofahrern vernetzt sein.

Feste Routen für alle Verkehrsteilnehmer

Zwar können eingebaute Sensoren das Umfeld des Fahrzeugs erfassen, sehen aber immer nur das «Jetzt», wie Fabienne Perret von der Beratungsfirma EBP im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA sagte. Um sich sicher fortzubewegen, muss das Fahrzeug jedoch auch die Bewegung der anderen Verkehrsteilnehmenden vorhersehen. Auch Fussgängerinnen und Velofahrer müssten somit eine Route angeben, auf der sie sich bewegen wollen und von der sie nicht abweichen sollten. Und dabei Sender tragen, die diese Informationen übermitteln.

Um trotzdem auf spontane Bewegungen reagieren zu können, müsste die Geschwindigkeit der selbstfahrenden Fahrzeuge mindestens im städtischen Raum stark begrenzt werden, so Perret. Ob diese Art der Fortbewegung dann noch attraktiv genug ist, ist eine andere Frage.

Text: sda

Fotografie: keystone

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