Kurzmeldung
Die Zementherstellung ist in der Schweiz für 9 Prozent des CO₂-Ausstosses verantwortlich. Das kann man senken, sagen Forscher der Empa. Sogar ein Verfahren, bei dem mehr CO₂ absorbiert als ausgestossen wird, ist möglich.
Die
Herstellung einer Tonne Zement setzt etwa 700 Kilogramm Kohlendioxid frei. Das
ist zwar weniger als etwa bei der Stahl- oder Aluminiumgewinnung, aber bei
jährlich zwölf Kubikkilometern benötigtem Beton weltweit – so viel, wie im Vierwaldstättersee Platz hat – fällt das ins Gewicht. Da Asien und Afrika baulich
prosperieren, wird der Beton-Bedarf künftig noch steigen, wie die Abteilung
Concrete & Asphalt der Eidgenössischen Materialprüfungsanstalt Empa
mitteilte.
Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (Unep) fordert deshalb, umgehend neue zementbasierte Materialien, die klimafreundlicher und kostengünstig sind, zu entwickeln und einzusetzen. Empa-Forscher arbeiten darum an alternativen Zement- und Betonarten, bei deren Herstellung weniger schädliches Klimagas entsteht oder sogar Kohlendioxid gebunden wird.
Hauptschuldig am CO₂-Ausstoss bei
der Zementherstellung ist das Brennen bei 1450 Grad im Drehrohr-Ofen. Da nur
etwa die Hälfte der fossilen Brennstoffe durch alternative Energien ersetzt
werden können, ist das Sparpotenzial gering, wie der mit dem Thema betraute
Empa-Forscher Frank Winnefeld sagt.
Mehr Energie sparen lässt sich,
wenn man Rohstoffe einsetzt, die eine geringere Brenntemperatur benötigen. Ein
vielversprechender Kandidat ist CSA-Zement aus Calciumsulfoaluminat. Er
benötigt eine um 200 Grad niedrigere Brenntemperatur und stösst pro Tonne
Zement rund 200 Kilogramm weniger Kohlendioxid aus.
Die Reduktion der Treibhausgasemissionen ist dabei aber nicht nur der geringeren Brenntemperatur geschuldet. Ein grosser Anteil des Klimavorteils von CSA-Zement liegt an der geringeren Menge an Kalkstein in der Rohstoffmischung. Kalkstein verursacht durch eine chemische Reaktion während der Zementherstellung nämlich den Grossteil der CO₂-Emissionen.
Das Team von Concrete &
Asphalt experimentiert mit Kalkstein-Ersatz aus Abfällen, die bei anderen
Industrieverfahren anfallen. Vielversprechende Kandidaten sind Schlacke aus
Hochöfen bei der Roheisengewinnung sowie Flugasche, die bei der Kohleverbrennung
übrigbleibt.
Diese Sekundärrohstoffe vermögen
freilich den gewaltigen Bedarf an Baustoffen nicht zu decken. Elektro-Schrott
ist eine weitere Alternative: «Bei der metallurgischen Rückgewinnung von
Edelmetallen aus Elektronikschrott bleibt eine hochwertige Schlacke übrig, die
in Pulverform ebenfalls mit Zement vermischt werden kann», erklärt Winnefeld.
Entspricht der Gehalt an
Schwermetallen den gesetzlichen Normen, könne dieser Zement durchaus auch in
der Schweiz zum Einsatz kommen. Die gute Nachricht: Der Bodensatz der «urbanen
Mine» aus den Überresten der ausgedienten Handys und Computer wird künftig noch
weiter anwachsen. Möglich sei es darüber hinaus, mineralische Bauabfälle für
Mischzement zu verwenden.
Die Art der Zusatzstoffe im
Zement liesse sich sogar derart verändern, dass der Vorgang des Brennens
komplett entfiele. Im sogenannten alkali-aktivierten Zement werden die
Bestandteile wie Schlacke, Asche oder calcinierter Ton durch starke alkalische
Lösungen wie etwa Natriumsilikate zur erwünschten chemischen Reaktion animiert.
Die Produkte dieser Reaktion verbinden sich daraufhin zu einem Material, dessen
Druckfestigkeit jener von gebranntem, herkömmlichen Zement entspricht.
Geradezu genial wirkt zudem die
Möglichkeit, Kohlendioxid im Beton zu binden, statt es frei werden zu lassen.
Ein CO₂-negativer Beton wäre ein wahrer Klimafreund. Empa-Forscher arbeiten
beispielsweise an einem Magnesium-basierten Zement, der die Grundlage für diesen
Öko-Beton liefern soll. Bei der Zementherstellung aus im Boden befindlichem
Olivin wird dem rohen Magnesiumsilikat Kohlendioxid zugeführt. Das CO₂
verzehrende Wunschkind hat bereits einen Namen: «Moms», Magnesium Oxide derived
from Silicates.
In einem nächsten Schritt analysieren die Empa-Zementforscher derzeit chemische Mischungsverhältnisse und Konformitätskriterien wie Festigkeit und Dauerhaftigkeit neuer Zementarten und bereiten damit den Weg zu normgerechten Zulassungen.
Text sda
Fotografie Empa