Swissloop auf Erfolgswelle

Mit dem zweiten Platz beim Hyperloop-Contest in den USA sorgte das Schweizer Ingenieurs-Kollektiv Swissloop für Furore. Jetzt soll der nächste Schritt folgen.

Competition run of the  Swissloop high speed pod

Güter und Personen, die mit bis zu 1’200 Kilometern pro Stunde durch ein Hyperloop-Röhrensystem transportiert werden? Das klingt für viele doch arg futuristisch. Die Realität von Swissloop jedoch sieht wenig nach Science Fiction aus. In einer kleinen Werkstatt bei der EMPA – der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt in Dübendorf – geben die beiden Projektleiter Nathalie Nick und Pascal Finker Auskunft über den Stand der Dinge. «Man muss Leidenschaft für dieses Projekt mitbringen – für die Reise nach Los Angeles allein lohnt es sich nicht mitzumachen», lachen die ETH-Studenten.

Tatsächlich riecht der Ort nach harter Arbeit, mit dem Kopf und den Händen. In der Werkstatt liegen Schraubenzieher und Werkmaschinen herum, und auf dem Boden steht der neuste Pod «Claude Nicollier», jenem Swissloop-Geschoss, das den Namen des Schweizer Astronauten und Testpiloten trägt, der auf vier Space Shuttle Missionen der NASA ins All flog. Mit diesem Pod hatte das Schweizer Team im vergangenen Sommer am Hyperloop-Contest in Los Angeles teilgenommen – einem Wettbewerb, den Tesla-Gründer Elon Musk ins Leben gerufen hatte, um der Technologie auf die Sprünge zu helfen. Vor vier Jahren hatte der exzentrische Milliardär Studierende in der ganzen Welt aufgerufen, Highspeed-Gefährte für seine Hyperloop-Bahn zu entwickeln. Denn das Konzept soll irgendwann als Magnetschwebebahn nicht nur Güter, sondern auch Menschen transportieren – sauberer und effizienter als Flugzeuge oder Hochgeschwindigkeitszüge das tun.

Die Technologie und vor allem die Infrastruktur stecken jedoch noch in den Kinderschuhen. Musk setz deshalb auf ein offenes Konzept und richtete einen eigenen Wettbewerb aus. Auf einer 1,25 Kilometer langen Teststrecke auf dem Gelände von Space-X in Hawthorne, Los Angeles, sollen jeweils die besten von mehrerer hundert Teams gegeneinander antreten. Dieses Jahr im Juli, im Final der besten vier, setzte sich das Team aus München durch. Die Konkurrenten der EPF Lausanne wurden Dritte; Swissloop – ein eigenständiger Verein von Studierenden der ETH Zürich und weiteren Schweizer Hochschulen – erreichte den hervorragenden zweiten Platz. Zudem wurde das Team mit dem Innovation Award ausgezeichnet, weil man mit dem Antriebskonzept der eigentlichen Vision von Elon Musk näher kam als etwa die Deutschen mit ihrem Elektrorotationsmotor.

Galerie von «Claude Nicollier»

Mit Magnetpower zur Höchstleistung

Tatsächlich ist das Herzstück des Schweizer Erfolgs-Pods ein linearer Induktionsmotor. Vereinfacht gesagt besteht dieser aus einem länglichen Stahlkern, der mit einer Vielzahl an Kupferwindungen umwickelt wurde, wie Finker erklärt. «Ein solches Elektromagnetpaket sitzt links und rechts im Pod, jeweils nur wenige Millimeter von der Führungsschiene der Fahrbahn entfernt. Die Spulen werden mit einem hochfrequenten Wechselstrom gespiesen, die dadurch ein bewegtes Magnetfeld erzeugen. Dieses Magnetfeld induziert Wirbelströme in der Führungsschiene aus Aluminium, die wiederum ein eigenes Magnetfeld entlang der Schiene erzeugen. Die Wechselwirkung der beiden Magnetfelder schiebt die Spulen und somit den gesamten Pod der Schiene entlang. Durch die berührungslose Funktionsweise ist der Antrieb komplett reibungsfrei und ermöglicht so einen leistungsfähigen und energiesparenden Antrieb». Im Vergleich zu einem konventionellen Rotationsmotor sei er auch für hohe Geschwindigkeiten bestens geeignet, da er keine rotierenden Komponenten aufweist, die bei zu hohen Drehzahlen an ein mechanisches Limit stossen.

Mit einem solchen Antrieb beschleunigte man den «Claude Nicollier»-Pod in Hawthorne innert zwölf Sekunden auf beeindruckende 252 Kilometer pro Stunde. Dass es dennoch nicht ganz um Sieg reichte, hatte mehrere Gründe, sagt Nick. Zum einen hätten die Gewinner aus München zum dritten Mal auf die selbe Technologie, einen Elektrorotationsantrieb, gesetzt, und den gesamten Pod damit konsequent optimiert. Die Deutschen seien nun die Experten auf diesem Gebiet. Swissloop dagegen wählte mit dem Induktionsmotor die riskantere Variante, die laut Nick aber der «Grundidee des Hyperloopantriebs» entspricht. Trotz der Herausforderung eignete sich das Team eine grosse Expertise an und meisterte die technische Challenge mit Bravour. Innerhalb weniger Monate wurde im Swissloop-Team ein komplett einsatzfähiger Inverter und Linearmotor designt und gebaut. Luft nach oben bleibt dennoch: «Am Wettkampftag sind wir von grösseren Problemen verschont geblieben. Doch die Kapsel bremste früher als geplant, sonst wären wir schneller gewesen». Mit dem zweiten Platz sei man dennoch sehr zufrieden. Zumal man sich bei Elon Musk neben einem Sonderlob für das Engineering auch ein Autogramm auf der Hülle abholen durfte.

Mit viel Drive nach Kalifornien

Dass der Sieg das nächste Ziel sein muss, ist klar. Dabei will sich Swissloop treu bleiben und auch dieses Jahr wieder auf einen Induktionsmotor setzen. Aktuell wird an den Details gefeilt, der Fahrplan steht. Im Dezember, auf das Ende des Semesters hin, steht der Design-Freeze am Computer an. «Das Design von Inverter und Linearmotor wird überarbeitet und noch effizienter ausgelegt», sagt Nick. Im Januar werden die Teile produziert, die dann Schritt für Schritt verbaut werden.

Ab April wird auf der rund 120 Meter langen Teststrecke bei der Empa in Dübendorf getestet. Natürlich könne man auf 120 Meter kein Rennen auf einer zehn Mal längeren Strecke exakt simulieren, sagt Finker. «Das ganze Ausmass vieler Effekte, etwa Vibrationen, wird erst bei der Fahrt unter Originalbedingungen sichtbar. Wir sind jedoch sehr froh um die Möglichkeit, die wir hier in Dübendorf haben. Die Teststrecke erlaubt uns, eine Abstimmung der Komponenten und eine Optimierung der Steuerung durchzuführen. Andere Teams können ihre Pods überhaupt nicht dynamisch testen».

Im Mai wird der neue Swissloop-Pod dann der Öffentlichkeit vorgestellt. Natürlich wird dann die Frage kommen, ob diesmal der Sieg für die Schweizer drin liegt. «Wenn alles nach Plan läuft, ist das möglich», sagt Nick. Doch obwohl es sich um ein Forschungsprojekt handle, sei es wie im Sport:

Es braucht eine solide, disziplinierte Planung und Vorbereitung. Im entscheidenden Moment müssen alle Faktoren stimmen, und des einen Glück ist des anderen Pech – und umgekehrt.

Gegen einen Triumph hat man aber freilich nichts einzuwenden, zumal ein Sieg noch mehr Interesse am Projekt in der Öffentlichkeit als auch bei den Sponsoren und Partnern bringt. Zudem würde so die Hyperloop-Idee weiter verbreitet. Bleibt noch die Frage, wie der 2020er-Pod von Swissloop heissen wird. Nick lacht: «Nach Alfred Escher, Mujinga Kambundji und Claude Nicollier wäre die Reihe an einer Frau. Aber es ist gar nicht so einfach, jemand passendes zu finden. Wir sind gespannt, für wen sich das Team entscheiden wird. Wir sind noch am diskutieren, Stand jetzt ist alles offen.»

Galerie vom Team Swissloop 

Über Swissloop

Swissloop ist ein eigenständiger Verein von Studierenden der ETH und der Universität Zürich, der Universität St. Gallen und der Fachhochschule Nordwestschweiz. Seit 2016 haben über fünfzig Studierende an diesem Projekt mitgewirkt. Die Prototypen des Swissloop-Pods werden von Studenten in Maschinenbau, Elektrotechnik und Materialwissenschaft der ETH Zürich entwickelt. 2017 trat Swissloop mit ‹Escher› an und erreichte den dritten Platz, mit ‹Mujinga› schied man 2018 aus. 2019 fuhr das Team mit ‹Claude Nicollier› auf den zweiten Platz. Auch 2020 wird Swissloop an der ‹SpaceX Hyperloop Pod Competition› in Los Angeles teilnehmen. 

www.swissloop.ch

Text:

Lukas Rüttimann

Ich mag Menschen, und ich mag Technik. Spannend wird es für mich, wenn sich beide gegenseitig inspirieren. Dann greife ich ganz analog zum Notizblock – und versuche die Geschichte dahinter einzufangen. Denn gewisse Dinge werden für mich immer Handwerk bleiben.

Fotografie: Swissloop

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